Ja, jetzt habe ich es doch getan. Ich schreibe einen Blog!! Und das, trotz all meiner Gegenwehr und meinem gering ausgeprägtem literarischen Talent. Was hat mich letztendlich überzeugt? Ich denke, es ist doch der „gefühlte“ Auftrag, Aufklärung zum Thema Palliativmedizin zu leisten und mit den vielen Vorurteilen und Missverständnissen aufzuräumen.

Wer bin ich eigentlich? Ich bin die ärztliche Leiterin der Palliativmedizin der Uniklinik Frankfurt, habe die Zusatzbezeichnung Palliativmedizin und außerdem Palliativmedizin studiert. Das bringt einem den Titel Master of Science in Palliative Care ein. Oder wie meine Mitarbeiter auch gerne sagen: Master of Desaster. Diesen Titel werde ich hier im Blog als Synonym verwenden. Welche Titel ich sonst noch so „ehrenhalber“ trage, wird sich wohl im Laufe des Blogs nicht verheimlichen lassen. 🙂

Da ich diesen Blog neben meinem normalen Alltag verfasse und, wie bereits erwähnt, nicht gerade Pulitzer-Preis verdächtig bin, wird dies sicher kein täglicher Blog. Aber auch bei uns gibt es Tage, an denen es sterbenslangweilig ist. Ja, ok, das ist jetzt ein echt mieses Wortspiel, aber hey Internetgemeinde, gebt mir eine Chance, ich fange doch gerade erst an!

Aber wenn wir schon mal beim Thema Sterben sind, kann ich das ja gleich mal ausnutzen und versuchen, ein bisschen was zur Aufklärung eines der Haupt-Missverständnisse in der Palliativmedizin beizutragen. Palliativmedizin wird nämlich oft mit der Hospizarbeit verwechselt und als reine Sterbebegleitung angesehen. Und das nicht nur von medizinischen Laien. Auch Ärzte, Pflegekräfte oder andere medizinische Fachberufe sind davon nicht ausgenommen. Wenn ich für jeden Anruf Geld bekommen würde, wo ich gebeten werde, einen sterbenden Patienten zu übernehmen, könnte ich mir die ganze Arbeit mit unserem Förderverein echt sparen. Natürlich ist auch die Begleitung von Sterbenden ein Auftrag der Palliativmedizin, aber eben nicht hauptsächlich. Eigentlich sind zu diesem späten Zeitpunkt der Zuweisung viele Behandlungsoptionen der Palliativmedizin bereits verschenkt. Palliativmedizin und Hospizarbeit haben gemeinsame Wurzeln und Abläufe, aber es gibt eben auch große Unterschiede. Die Zielsetzung ist oft eine andere und die Einbindung der Palliativmedizin sollte eigentlich zu einem sehr viel früheren Zeitpunkt der palliativen Erkrankungssituation stattfinden. Nämlich eigentlich schon zu Beginn! Warum das aber gar nicht immer für jeden palliativen Patienten möglich ist, werde ich mal bei einem anderen Eintrag näher ausführen.

Mal sehen, ob ich es schaffe eine Tabelle hier einzubinden …

Palliativ-Versorgung Hospiz-Versorgung
  • Nach der Diagnose Monate bis Jahre
  • Symptomverbesserung Therapie der Grundkrankheit
  • Reanimation, Intensivtherapie, lebensverlängernde Maßnahmen
  • Versorgung in einem Krankenhaus, Ambulantes Palliativteam (SAPV)
  • Permanente ärztliche Versorgung über 24 Stunden
  • Aufenthaltsdauer max. 3 Wochen
  • Hauptziel: Entlassung nach Hause, Würdevolles Sterben
  • Letzte Lebenszeit Tage bis Wochen
  • Symptomorientierte Behandlung
  • Keine Reanimation oder Intensivmaßnahmen
  • Stationäres Hospiz, Ambulanter Hospizdienst
  • Ärztliche Versorgung zeitweiseund nach Bedarf
  • Bis zum Tod
  • Würdevolles Sterben

So, jetzt hat mich mein ehemaliger Assistenzarzt gerettet, der zufällig zu Besuch kam und direkt wieder arbeiten durfte. 🙂 Danke M.

 

Also zurück zum Unterschied Palliativmedizin und Hospizversorgung. Ich hoffe, die Tabelle macht es etwas klarer. Warum ist dieses Thema so wichtig für mich? Weil wir hier auf der Station jeden Tag erleben, dass neue Patienten oder Angehörige in Tränen ausbrechen, weil Sie denken, dass wir eine Sterbestation sind und Sie hier zu uns abgeschoben worden sind. Es gibt so viele Aussagen dazu, wie z.B. jetzt wird es echt ernst, niemand kann mehr irgendetwas für mich tun, das war es dann, Ende Gelände, Sackgasse, Morphin bis zum Anschlag, damit man das alles nicht so erleben muss und, und, und… Viele Patienten verweigern sogar die Verlegung zu uns, weil sie denken, dass hier sowieso nichts mehr für Sie getan wird. Und genau das ist ja komplett falsch! Unser Auftrag ist das Leben und die Sorge dafür, dass genau das stattfinden kann. Das heißt, wir kümmern uns um all die Probleme, die durch die palliative Erkrankung ausgelöst werden und schauen nach Entlastungsmöglichkeiten. Wir klären ab, wie und ob man zuhause versorgt werden kann, oder ob eventuell die Weiterbegleitung in einem Hospiz mehr Sinn macht. Ich denke, zu diesen ganzen Abläufen wird es sicher noch viele Einträge geben.

Schluss für heute, da ich mich jetzt wieder mal im realen Leben um meine Patienten kümmern muss!

Mal sehen, ob das hier überhaupt irgendjemand liest. Falls ja, freue ich mich über Kommentare, Rückmeldungen oder Kritik. Wie gesagt, ich übe ja noch!

Master of Desaster

 

Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen,

die sich über die Dinge ziehn.

Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen,

aber versuchen will ich ihn.

– Rainer Maria Rilke –