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Obwohl die Sterbebegleitung nicht unser Hauptauftrag in der Palliativmedizin ist, versterben natürlich Patienten auf unserer Station. Ich denke, das ist durchaus auch ein wichtiger Schwerpunkt unserer Station und wir haben sicher hier auch viel Expertise und Unterstützung anzubieten. Dazu  gehört auch, dass Menschen nach ihrem Versterben noch einen Platz in unseren Gedanken und Erinnerungen behalten.

Dieses Erinnern wird einmal durch das Gedenkbuch lebendig, aber auch durch unsere Gedenkfeier. Wir als Mitarbeiter der Station haben eigentlich nie die Möglichkeit uns richtig zu verabschieden oder zu trauern. Kaum ist das Zimmer leer, kommt schon der nächste Patient mit all seinen Nöten und Sorgen und absorbiert damit unsere gesamte Aufmerksamkeit.

Dabei kommen wir dem Mensch und seinen Angehörigen in der Sterbephase oft sehr nahe. Selbstverständlich empfinden wir auch Trauer oder Schmerz über das Versterben eines Menschen, wenn auch nie in der Intensität eines Angehörigen. Vielleicht bleiben auch schwierige Erinnerungen zurück, wenn Dinge in der Begleitung vielleicht nicht so gut gelaufen sind oder wir die Gesamtsituation als sehr belastend für uns erlebt haben. Dafür muss Raum und Zeit sein und wir erleben die Gedenkfeier oft als Innehalten, Besinnen und die Möglichkeit Dinge abschließen zu können.

Wir laden immer die Angehörigen zu dieser Feier ein und dieses Angebot wird gerne angenommen. Es ergibt sich dann auch nochmal die Möglichkeit zu einem Gespräch, um Fragen zu stellen oder sich gemeinsam zu erinnern.

Wie läuft jetzt so eine Feier bei uns ab? Als erstes wähle ich jedes Mal ein Motto, dass zu den Sterbebegleitung für diesen Zeitraum passt. Zum Beispiel der Schmerz des Patienten seine Angehörigen zurücklassen zu müssen oder die Tatsache, dass der Verstorbene im Leben durchaus auch „stachelige“ Seiten hatte. Dies hat diesmal zu dem Thema Rose geführt. Das dazu gewählte Bild (siehe Foto oben) hat eine Künstlerin gemalt während der Sterbebegleitung ihrer Freundin und hat es mir freundlicherweise geschenkt. Liebe Frau Sommerlad, vielen Dank dafür!

Die Feier begann diesmal mit einem einleitenden Gesang – Candle in the wind in der Version von Elton John für die verstorbene Lady Diana.  Nächster Punkt war dann eine Bildbetrachtung durch unsere Seelsorger und das Vorlesen einer Textstelle über die Rose aus dem Kleinen Prinzen von Antoine de Saint-Exupery.

Danach haben wir für jeden Verstorbenen eine Kerze angezündet und die Angehörige eingeladen, dies ebenso zu tun. Wenn alle Kerzen brennen, empfinde ich das immer als ganz besonderen Moment. Erstens wird einem dann mal wieder klar, wie viele Menschen und Angehörige wir begleitet haben und zweitens entsteht immer eine wunderbare Wärme dabei, die uns wieder Kraft fürs Weitermachen gibt.

Den Abschluss bilden dann ein Gedicht und das Lied „I did it my way“ von Frank Sinatra. An dieser Stelle mal ein riesiges Dankeschön an Lutz Riehl, der mit seiner wundervollen Stimme immer alle berührt. Obwohl er selbst stark sehbehindert ist und wahrlich viel zu tun hat, begleitet er jede Gedenkfeier ehrenamtlich. Danke Lutz!!! Ohne dich wäre die Feier nur halb so würdevoll.

Nach dem offiziellen Ende stehen wir bei Getränken und Brezeln oft noch mit den Angehörigen zusammen und unterhalten uns über ihr Leben ohne den geliebten Menschen. Hier gab es schon oft ganz wundervolle Momente und wichtige Gespräche.

Das Gedicht der aktuellen Gedenkfeier, soll heute mein Abschlussgedicht sein.

 

Master of Desaster

 

Wussten Sie schon

wussten sie schon,

dass die nähe eines menschen

gesund machen

krank machen

tot und lebendig machen kann

wussten sie schon

dass die nähe eines menschen

böse machen

traurig und froh machen kann

wussten sie schon

dass das wegbleiben eines menschen

sterben lassen kann

dass das kommen eines menschen

wieder leben lässt

wussten sie schon

dass die stimme eines menschen

einen anderen menschen

wieder aufhorchen lässt

der für alle taub war

wussten sie schon dass das wort

oder das tun eines menschen

wieder sehend machen kann

einen der für alles blind war

der nichts mehr sah

der keinen sinn mehr sah in dieser welt

und in seinem leben

wussten sie schon

dass das anhören eines menschen

wunder wirkt

dass das wohlwollen zinsen trägt

dass ein Vorschuss an vertrauen

hundertfach auf uns zurückkommt

wussten sie schon

dass tun mehr ist als reden

wussten sie das alles schon?

Wilhelm Willms