Klangmassage auf der Palliativstation

Als Psychoonkologin auf der Palliativstation führe ich in der Regel Gespräche mit den Gästen und ihren Zugehörigen, versuche emotional zu stützen und eine Verbesserung der Krankheitsverarbeitung zu erreichen.

Manchmal, aufgrund von zunehmender Schwäche oder Sprachlosigkeit, sind Gesprächsangebote nicht passend. Vor einigen Jahren machte ich, auf der Suche nach einer alternativen Methode der Kontaktaufnahme und Zuwendung, eine Ausbildung zur Klangmassagenpraktikerin.

Seitdem biete ich unseren Gästen eine individuelle, auf die Bedürfnisse abgestimmte, Klangmassage an.

Dabei werden speziell dafür angefertigte Klangschalen in einer bestimmten Abfolge auf den bekleideten Körper gestellt und zum Schwingen gebracht. Eine solche Klangmassage dauert ca. 20-30 Minuten und findet im Patientenzimmer in einer ungestörten Atmosphäre statt.

 

Was passiert dabei? Man kann zwischen einer auditiven und einer somato-sensorischen Wahrnehmung unterscheiden. Bei der auditiven Wahrnehmung – dem Hören – werden die akustischen Reize der obertonreichen Klangschalen im Innenohr in elektrische Signale umgewandelt und diese dann in Form von Nervenimpulsen weitergeleitet. Über den Hörnerv, den Hirnstamm bis hin zur Hörrinde des Schläfenlappens erhalten die Signale eine emotionale Färbung, eine emotionale Bewertung aufgrund unserer Vorerfahrungen. Vielen Gästen sind die Klänge vertraut, sie sind mit angenehmen Erfahrungen und einem Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit verknüpft.

Die somato-sensorische Wahrnehmung – das Spüren – meint die Wahrnehmung der Klangschwingungen über die Hautsinne und die Fühlrezeptoren von Muskeln, Sehnen, Gelenken und der inneren Organe. Mit den Klangempfindungen werden entsprechende Gedächtnisinhalte aktiviert.

Die gleichmäßigen Schwingungen, die sich bei der Klangmassage auf den Körper übertragen, führen relativ rasch zu einer Lockerung der Muskulatur und somit zu einem Entspannungs- und Ruhegefühl. Schmerzen und Blockaden werden gelöst bzw. verringert, die Körperwahrnehmung insgesamt verbessert sich und es kommt häufig zu einem Wohlgefühl im kranken Körper mit der Möglichkeit, gesunde Anteile wieder wahrnehmen zu können.

Auf der psychischen Ebene beobachten man eine nach innen gerichtete Aufmerksamkeit, eine Erhöhung der Wahrnehmungsschwelle für äußere Reize, vermehrtes assoziatives Denken – Verknüpfung von neuen Eindrücken mit bereits vorhandenem Wissen, was neue Gedankengänge ermöglicht – und ein Gefühl der Gelassenheit.

Für viele unserer Gäste sind das lange nicht gespürte Empfindungen und oftmals ermöglicht eine Klangmassage den Zugang zu verdrängten Emotionen und den sprachlichen Kontakt.

Herr S., der bisher immer sehr wortkarg und in sich gekehrt wirkte, berichtet nach der Klangmassage von seiner Kindheit in einem Dorf in Oberschlesien. Der Klang der Klangschalen brachte Erinnerungen an die Glocken der Dorfkirche. Im Folgenden erzählt er mir von der Flucht mit der Mutter und Großmutter und den lange verdrängten, sehr traumatischen Erinnerungen an diese Zeit.

 Frau B. berichtet von einem angenehmen Wärmegefühl während der Klangmassage. Je nach Ton entstanden angenehme warme Farben vor ihrem inneren Auge und sie ist sehr erstaunt, dass die stechenden Schmerzen im Rücken für eine Weile in den Hintergrund getreten sind. Eine Erfahrung, die sie seit langem nicht gehabt hat und ihr Mut gibt, dass es eine Möglichkeit der Beeinflussung der Schmerzwahrnehmung gibt und sie diesem nicht komplett hilflos ausgeliefert ist.

Diese Beispiele zeigen mir, als Anwenderin der Klangmassage, immer wieder aufs Neue, dass es einen achtsamen und wertschätzenden Zugang braucht mit individueller Anpassung des Ablaufs an die jeweiligen Gegebenheiten. Die Zeit für ein Nachgespräch und ein Nachspüren sind wichtig und gehören zu einer Klangmassage dazu.

Karin Maaßen-Kolotas

Psychoonkologin