Ich bin mal wieder traurig, weil ich mir ein bisschen mehr Lebenszeit für eine Patientin gewünscht hätte. Aber wer bin ich, dass ich glaube zu wissen, was für diesen Menschen richtig gewesen wäre?

Deshalb dachte ich, dass ich heute mal einen Blogbeitrag zum Thema Trauer schreiben könnte.

Was passiert eigentlich mit den Angehörigen/Zugehörigen nach dem Tod eines Menschen? Zuerst mal herrscht das Chaos. Unfassbar was es da alles zu regeln gibt: Ein Bestattungsunternehmen beauftragen, die Beerdigung organisieren, Versicherungen, Konten kündigen, eventuell eine Haushaltsauflösung in die Wege leiten etc. etc.  Da bleiben wenig Ruhe und Zeit, sich der Trauer zu überlassen– man muss ja schließlich funktionieren.

Irgendwann ist dieser ganze Wahnsinn aber vorbei und dann schlagen die bisher verdrängten Emotionen erbarmungslos zu. Leider passiert das dann zu einem Zeitpunkt, an dem man relativ alleine gelassen ist. Während der Erkrankungsphase, auf der Palliativstation oder im Hospiz gibt es ja jede Menge Angebote zur Unterstützung. Viele Therapeuten, Ärzte oder Pflegekräfte sind verfügbar, um den Angehörigen zur Seite zu stehen. Wochen oder Monaten nach dem Tod eines Menschen sind diese Begleitungsangebote leider nicht mehr vorhanden. Und dann kommt dieses „schwarze, dunkle Meer“ der Traurigkeit, in dem man schier zu versinken droht.

Trauer ist kein linearer Prozess. Sie ist ganz individuell, für jeden anders. Sie hat keinen Time-Table, keinen festgesetzten Schlusspunkt. Sie kann mal ein paar Wochen weg und dann wieder total präsent sein. Die Erfahrung der Menschen im Trauerprozess ist allerdings, dass der Umwelt oft die Geduld fehlt, darauf einzugehen. Das Umfeld möchte, dass dann auch irgendwann einmal Schluss sein soll, mit den Gesprächen über den Menschen, der gegangen ist. Mit der Verzweiflung und der Fassungslosigkeit, was einem da widerfahren ist..

Ich bin ja ein großer Fan des Gezeiten-Modells von Ruthmarijke Smeding: “Beeinflusst von den Mondphasen führen Gezeiten regelmäßig zu Ebbe und Flut. Das Bild der unendlichen Bewegung, das Kommen und Gehen des Wassers  symbolisiert das Kommen und Gehen der Trauer.” Irgendwann tauchen Trittsteine im Wasser auf, die den Menschen in seiner Trauer stabilisieren und voran bringen können. Zum Schluss wird dann aus den Trittsteinen wieder ein fester Boden unter den Füßen. Ein sehr tröstlicher Gedanke!

Wenn Sie dieses Trauer-Modell interessiert, finden Sie hier weitere Informationen dazu: https://www.trauer-erschliessen.de

Übrigens beginnt das Trauern nicht erst mit dem Tod des Menschen, sondern schon sehr viel früher. Bereits bei der Mitteilung der palliativen Diagnose beginnt der erste Abschied und löst Trauergefühle aus, die vielleicht auf den ersten Blick gar nicht als Solche identifiziert werden. Aber es ist der Abschied vom „unendlichen“ Leben, der Abschied von Träumen, Hoffnungen und der so trügerischen Illusion, dass es immer so weiter gehen könnte. Stattdessen ein harter Aufschlag, wenn man all seiner verpassten Chancen gewahr wird. Und es wird nicht besser! Es kommt die Mitteilung, dass die Chemotherapie nicht gewirkt hat – Trauer! Es kommt die Mitteilung, dass es keine weiteren Behandlungsoptionen gibt- Trauer! Es kommt die Mitteilung, dass eine palliative Versorgung sinnvoll ist – Trauer! Und dann das Gespräch (hoffentlich), dass das Sterben absehbar geworden ist – Trauer!!!!!!

Das gilt übrigens für beide Seiten. Auch der Patient durchlebt Phasen der Trauer – nur bei Ihm ist das Ende der Trauerphase vorbestimmt. Der Angehörige hat die ganze Arbeit noch vor sich. Ja, es ist harte und langwierige Arbeit – aber sie ist auch voller Chancen!

Es grüßt Sie herzlich der gar nicht mehr traurige Master of Trauer Desaster

 

„Das Loch in das ich fiel, wurde zur Quelle, aus der ich lebe.“

Ruthmarijke Smeding