Mein letzter Blogeintrag war ja zum Thema Trauer nach dem Tod eines Angehörigen oder Zugehörigen. Was aber passiert, wenn diese Trauer ausbleibt oder völlig fehlt? Ein sehr schambesetztes Thema, dass selbst mir – einer Außenstehenden – gegenüber nur sehr selten thematisiert wird. Ich höre dann Sätze wie: „Das traut man sich ja nicht laut zu sagen, aber da ist einfach nur Erleichterung, dass es endlich vorbei ist.“ „Irgendwas stimmt mit mir nicht, ich kann überhaupt keine Trauer empfinden.“ „Da gibt es ganz viele Emotionen in mir, aber Trauer gehört irgendwie nicht dazu. Ich hoffe, Sie missverstehen das jetzt nicht?“

Nein, ich missverstehe das jetzt nicht, denn das ist auch absolut normal! Es wird allerdings nur sehr selten offen thematisiert. Oft ist es schiere Erleichterung, dass das Leid des Menschen jetzt endlich ein Ende hat. Dass man abschließen kann und sein eigenes Leben wieder leben darf. Aber das ist gesellschaftlich schwierig. Gerade älteren Frauen ist oft ein Leben lang vermittelt worden, dass sie nur mit einem Mann vollständig sind. Und auch: dass seine – natürlich – aufopferungsvolle und klaglose  – Pflege selbstverständlich zum Pflichtenkatalog einer Ehefrau gehört.

Ich erlebe immer wieder, wie viel Schuld und Leid durch diese alten Denkmodelle entstehen. Wie wir immer noch lange Gespräche darüber führen, ob man als Ehefrau eine Betreuung aus den Händen geben ‚darf‘.  Wir hören dann oft „Aber das habe ich Ihm doch immer versprochen, dass ich ihn zuhause pflege! Das kann ich doch jetzt nicht brechen.“  Sätze, die man übrigens von Männern nicht so oft hört! Pflege im häuslichen Bereich ist auch heute noch hauptsächlich eine Aufgabe der Frauen. Und sie sind nur schwer davon abzubringen, diese Aufgabe wenigstens zu teilen. Selbst wenn sie schon 80 Jahre alt sind und selber mehr als gebrechlich.

Wenn dann so eine schwierige Pflegesituation vorbei ist, bleibt eben manchmal nur Erleichterung. Darüber, die übergroße Last der Verantwortung nicht mehr tragen zu müssen. Und manchmal auch ein klammheimliches Gefühl der Erlösung , dass es da einen Notausgang aus einer unglücklichen Ehe gab.

Aber auch wenn Liebe und Fürsorge vorherrschten, wundert man sich manchmal, wo die bodenlose Trauer bleibt, die man nun doch eigentlich nach dem großen Verlust verspüren müsste. Aber vielleicht hatte man sich längst schon verabschiedet. Möglicherweise ruht man auch in der Gewissheit, alles, was möglich war, getan zu haben, um den geliebten Menschen bis zum Schluss zu begleiten und nach einem runden und erfüllenden gemeinsamen Leben einen – unter den gegebenen Umständen – guten Abschluss erlebt zu haben.

Es gibt zig sehr gute und verständliche Gründe, weshalb die Trauer ausbleibt. Und dann sollte man sich nicht dafür schämen, sondern sich darüber freuen und es offen thematisieren. Es gibt mehr Gleichgesinnte, als man denkt!

Herzliche Grüße vom Master of Ehrlichkeits-Desaster

 

Es kann auch ein schönes Gefühl sein, wenn einen etwas nicht mehr berührt…

Anonym